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Dienstag, 29. August 2006 

Reinhold Zitzelsberger Webmaster

 

Binnenschifffahrt
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Binnenschifffahrt:

ADNR-Strukturreform kommt 2003

Dipl.-Ing. Klaus Ridder, Königswinter

Alljährlich treffen sich die Gefahrgutbinnenschiffer in Bad Honnef zum Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tag. Die Teilnehmer kommen aus den Rhein- und Donauanliegerstaaten Schweiz, Frankreich, Deutschland, Niederlande und Belgien sowie aus Österreich. Es wird gefachsimpelt über Neues aus dem ADNR. Schwerpunktthema war diesmal die Inkraftsetzung der Strukturreform beim ADNR, sie soll fristgemäß am 1.1.2003 kommen.

Weiteres Thema war die VOC-Richtlinie. Endgültig soll nun ab Ende 2005 verboten werden, dass Schiffe während der Fahrt entgasen dürfen.

ADNR-Strukturreform

Die Vorschriften für Gefahrgut sind kompliziert und waren in der Vergangenheit auch unterschiedlich strukturiert. Mit der sog. Strukturreform wurden die Gefahrgutvorschriften aller Verkehrsträger vereinfacht, im Luft- und Seeschiffsverkehr sind die neuen Vorschriften schon in Kraft, im Eisenbahn- und Straßenverkehr treten sie am 1.1.2003 in Kraft. Letzter Verkehrsträger, der sich auf die neue Struktur umstellen wird, ist der Binnenschiffsverkehr. Das neue ADNR soll am 1.1.2003 in Kraft treten, Übergangsregelung bis zum 31.6.2003 Klaas den Braven, der Vater des ADNR 95 und auch des ADNR 2003 referierte über das umstrukturierte ADNR und ADN. Das ADNR soll am 1. Januar 2003 mit sechsmonatigen Übergangsregelungen in Kraft treten..

Klaas den Braven, Ingenieur bei der niederländischen Schifffahrtsinspektion in Rotterdam und „Vater“ des ADNR 1995 und auch des umstrukturierten ADNR referierte zu diesem Thema. Diesmal behandelte er insbesondere:

 

 

 

 

    - Wie sieht das ADNR in Zukunft aus und welche Änderungen im Vergleich mit dem ADNR 2001 gibt es.

    - Wurde die Liste der Stoffe, die in Tankschiffen befördert werden dürfen, geändert?

    - Ändert sich etwas beim Explosionsschutz?

    - Was macht das neue ADN?

 

Auch das neue ADNR 2003 wird, wie das ADR (Straßenverkehr), aus 9 Teilen bestehen. Die Teile 1 (Allgemeine Vorschriften), 2 (Klassifizierung), 3 (Stofflisten) und 5 (Versandvorschriften) werden im Grundsatz dem ADR entsprechen. Auf die Teile 4 (Verpackungen) und 6 (Prüfvorschriften) hat man im neuen ADNR ganz verzichtet und verweist hier auf das ADR. Die Teile 7 (Betriebsvorschriften), 8 (Besatzung, Ausrüstung, Betrieb und Dokumentation) sowie 9 (Bauvorschriften) unterscheiden sich von den anderen Verkehrsträgern, weil diese Teile binnenschifffahrtsspezifische Vorschriften enthalten.

In Teil 1 (Allgemeine Vorschriften) werden alle Begriffsbestimmungen aufgenommen. Neu ist hier, dass ein Kapitel „Unterweisung“ hinzugefügt wurde. Hier wird der Beförderer verpflichtet, alle Beteiligten an Bord über die Gefahrguttransporte zu unterweisen. Zu beachten ist hierbei, dass es sich hier nicht um ADNR-Sachkundige handelt. Die Vorschrift für ADNR-Sachkundige wird in Teil 8 integriert. Neu ist auch im Teil 1, dass hier die Vorschrift aufgenommen wurde, Sicherheitsberater (auf Deutsch Gefahrgutbeauftragte) in den Unternehmen zu benennen.

Klaas den Braven berichtete weiter, dass in Genf bei den Arbeiten am ADN (Europäisches Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen) die Vorschriften dem umstrukturierten ADNR 2003 angepasst wurden. Es gibt natürlich kleine Unterschiede, so sind mehr Übergangsvorschriften, speziell für die Donau, aufgenommen worden. Wann das neue ADN in Kraft treten wird, darüber mochte Klaas den Braven keine Auskunft geben. Er vermutet allerdings, dass es wohl 2005 werden könnte. Klaas den Braven begrüßte insbesondere, dass es künftig dann gleiche Vorschriften auf dem Rhein und der Donau und allen europäischen Wasserstraßen geben wird.

Ein weiteres Thema wurde kontrovers diskutiert, die sog. VOC-Richtlinie (VOC = flüchtige Kohlenwasserstoffverbindungen).

Ausgehend von einer europäischen Richtlinie, der sog. VOC-Richtlinie (94/63/EG) war die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt (ZKR) gezwungen, entsprechend ihrer politischen Funktion und ihres rechtlichen Status eine Lösung für das Entgasen von Mineralölprodukten, hier besonders Ottokraftstoff (OK), Diesel (DK) und Heizöl, während der Fahrt zu finden. In der ZKR wird dieses Thema seit mehreren Jahren diskutiert, ohne dass es bisher zu einer endgültigen Lösung gekommen ist. In Deutschland wurde deshalb durch eine Änderung der 20. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz zugelassen, dass weiterhin entgast werden darf (bis 31.12.2005).

Reinhard Schorsch, Gefahrgutberater bei der BP Chemie in Köln-Worringen, berichtete hierzu, dass die chemische Industrie durch die Richtlinie grundsätzlich nicht betroffen ist, weil sie, im Gegensatz zur Mineralölindustrie, überwiegend Chemieprodukte befördert, die nicht unter die VOC-Richtlinie fallen. Sie hat sich aber gleichwohl früh an den Diskussionen bei der ZKR beteiligt, weil sie letztendlich auch für eine bessere Umwelt beitragen möchte.

Viele Produkte, so Reinhard Schorsch, gerade in der Petrochemie, sind den o.g. Mineralölen in ihrer Zusammensetzung und in ihrem Verhalten sehr nahe. Der chemischen Industrie ist durchaus bewusst, dass man niemanden verständlich machen kann, das Ausblasen von Ottokraftstoffen zu verbieten, aber das von Benzol beizubehalten.

Die Lösungsvorschläge, das Ausblasen während der Fahrt zu verhindern, waren nicht nur vielfältig, sondern aus technischer, sachlicher und auch finanzieller Sicht teilweise abstrus. Jedem der Beteiligten ist bewusst, dass ausgegast wird, aber niemandem war es möglich, die Anzahl dieser Vorgänge zu ermitteln. Damit war von vornherein klar, dass kein Investor Entgasungs- oder Reinigungsanlagen entlang des Rheins und anderer Flüsse bauen würde. Nicht nur das Reinigungskosten anfallen, die bis jetzt auf keiner Rechnung anstanden, die Umlaufzeiten der Schiffe würden darüber hinaus nicht kalkulierbar verlängert. Wichtig bei Seminaren sind immer wieder die Pausengespräche: Von links nach rechts Eduard Hamersky (Wien), Lang (Wasserschutzpolizei Bonn), Klaus Ridder und Dr. Dieter Hempel (PTB)

Übersehen wurde auch, dass das Entgasen an der Löschstelle die Liegezeiten ungebührend verlängert. Keine Löschstelle – auch wenn es theoretisch möglich wäre, bei ihr zu entgasen – ist in der Lage, einen Volumenstrom von 5 – 10.000 Kubikmetern pro Stunde zu verarbeiten, wie er durch die Exhaustoren auf den Schiffen erzeugt wird. So würde sich die Liegezeit nach dem Löschen bei einem angenommen vierfachen Volumenwechsel der Schiffstanke bei der durchschnittlichen Kapazität von Gasreinigungsanlagen durchaus auf 12 – 15 Stunden verlängern.

Wegen dieser Probleme wurde nach einiger Zeit nach anderen Lösungen gesucht, dabei entstand die sog. Kompatibilitätsliste. Hier haben sich Mineralölwirtschaft und petrochemische Industrie nach langem, zähen Ringen geeinigt, welche Produkte aufeinander geladen werden können, ohne eine Zwischenreinigung der Schiffe vorzunehmen.

Zusätzlich soll ein Ladungstagebuch eingeführt werden, aus dem der nächste Belader entnehmen kann, welches Produkt zuletzt in den Tanks war und dass das Schiff entsprechend dem „Efficient Stripping“ (= möglichst geringste Restmengen) entleert wurde. Da bei

einem vernünftigen und sauberen Arbeiten nach diesem System die Restmenge an Flüssigkeit in den Schiffen insgesamt die 50 Liter Markte deutlich unterschreitet, ist eine Verminderung der Produktqualität beim Aufladen von 1.500 Kubikmetern und mehr nicht mehr zu befürchten. Zur Zeit läuft eine Versuchsphase um festzustellen, ob durch vermehrtes dedicated Fahren und durch Nutzen der Kompatibilitätsliste sich das Ausgasen während der Fahrt tatsächlich auf Null reduzieren lässt.

Ausgenommen von diesen Regelungen bleiben Sonderfälle, wie kurzfristiger und nicht geplanter Werftaufenthalt.

Zu dem Thema, wie gefährlich nun die Gase, die ja in den Schifftanks verbleiben müssen, sind, darüber referierte Dr. Dieter Hempel von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Aufgrund der VOC-Problematik hatte Dr. Dieter Hempel die Gefahren von Ottokraftstoffdämpfen in Binnentankschiffen untersucht. Hempel leitete sein Referat damit ein, dass das bis zum 31.12.2005 stark eingeschränkte und nach diesem Zeitpunkt grundsätzlich verbotene Entgasen bedeutet, dass eine erhebliche Zunahme von Fahrten leerer nicht entgaster Tankschiffe zu verzeichnen sein wird.

In welcher Häufigkeit und in welchem Umfang in leeren nicht entgasten Tanks explosionsfähige Dampf-Luft-Gemische auftreten, war bisher nicht bekannt. Es wurde angenommen, dass die in leeren nicht entgasten Tanks vorliegenden Ottokraftstoffdampf-Luft-Gemische durch Gasrückführung bzw. Verdampfung während des Löschens sowie durch Nachverdampfung von in Binnenschifftanks verbliebenen Restflüssigkeiten gewöhnliche Konzentrationen aufweisen, die über der Oberen Explosionsgrenze (OEG) liegen und damit nicht unmittelbar zündfähig sind. Durch diesen Aspekt des auch in Zukunft vorgesehenen weiteren Transports von Ottokraftstoffen in Schiffen des Typs N (N = Normalschiffe, in der Regel ohne Doppelhülle) kommt der Bewertung des Explosionsrisikos in leeren nicht entgasten Tanks infolge der zu erwartenden erheblichen Zunahme solcher Leerfahrten und damit einer erhöhten Kollisionsgefahr eine hohe sicherheitstechnische Priorität zu. Aus diesem Grund wurde eine umfassende Untersuchung der Tankatmosphären nicht entgaster Tankschiffe bei Vorladung von Ottokraftstoff durchgeführt. Es gab immer wieder Diskussionen: Hier meldet sich gerade Klaas den Braven (Schiff-fahrtsinspektion Rotterdam) zu Wort. Die Diskussionen waren auch diesmal das "Salz in der Suppe"!

Hauptziel der durchgeführten Untersuchungen war, festzustellen, unter welchen Bedingungen in leeren nicht entgasten OK-Tankschiffen Explosionsgefahr gegeben ist. Ferner war die Wirksamkeit einiger einfacher Maßnahmen gegen das Auftreten explosionsfähiger Gemische in den Tanks zu beurteilen. Weiterhin wurde untersucht, ob und unter welchen Bedingungen die Dampfatmosphäre nach dem Laden von Dieselkraftstoff in einen nicht entgasten Tank nach dem Löschen von Ottokraftstoff explosionsfähig ist. Zur Untersuchung der vorstehenden Fragen wurden zahlreiche Messungen auf Binnentankschiffen auf Rhein, Elbe und Mittellandkanal nach Ende des Löschprozesses und während der anschließenden Reise vorgenommen.

Dr. Hempel stellt in den Untersuchungen fest, dass der Verzicht auf das Entgasen von Binnentankschiffen nach Löschen von Ottokraftstoff keineswegs zu jeder Zeit zu einer Erhöhung des Explosionsrisikos führt. Kurz nach dem Löschen unter Einsaugung von Umgebungsluft herrscht stets in größeren Teilen der Tanks eine explosionsfähige Atmosphäre. Zu späteren Zeit kann jedoch die Konzentration im gesamten Tank oberhalb der Oberen Explosionsgrenze liegen, so dass eine Explosion ausgeschlossen ist.

Im Rahmen einer abschließenden Risikobetrachtung wurden nachstehende Maßnahmen zur Verhinderung von Explosionen bzw. zur Verringerung der Explosionswirkungen in leeren nicht entgasten Tankschiffen miteinander verglichen:

    - Druckausgleich beim Löschen durch Inertgaseinspeisung

    - Löschen mit Gasrückführung

    - Löschen mit Einsprühen von Ottokraftstoff in die rückgeführte Luft in die Gassammelleitung

    - Verbleib von Restmengen in den Tanks

    - Transport in Schiffen in Doppelhüllenbauweise

    - Entgasen in eine landseitige Gasrückgewinnungsanlage

 

Die wirksamste Schutzmaßnahme zur Vermeidung gefährlicher Mengen von explosionsfähigen Gemischen im Tank sind die Rückführung von KW-reichen Dämpfen aus der landseitigen Dämpferückgewinnungsanlage in die Tanks bzw. ein Eindüsen kleiner Mengen von OK in die eingesaugte Luft bzw. das rückgeführte Gas. Eine aufwendigere Maßnahme stellt die Inertisierung dar, die u.a. ein erhöhtes Maß an Personenschutz erfordert. Auch der Einsatz von Doppelhüllenschiffen zum OK -Transport erhöht den Schutz vor Explosionen erheblich, ist aber nur gegen Kollisionen als Explosionsursache wirksam.

In Bezug auf den Transport von DK in nicht entgasten OK-Schiffen ist bis zum Löschen des DK grundsätzlich davon auszugehen, dass in den Tanks Explosionsgefahr besteht . Die Transporte sollten demzufolge, so Dr. Hempel, bis zur Wiederbeladung mit DK unter Kegelführung erfolgen.

Schlussbemerkungen

Der Gefahrguttransport auf dem Rhein ist sicher. Gleichwohl können Unfälle nicht vermieden werden. Insbesondere durch Ausbildung soll erreicht werden, dass die Gefahrgutvorschriften besser eingehalten werden. Mehr Sicherheit wird es mit dem ADNR 2003 geben, weil es leichter verständlich ist und somit besser eingehalten werden kann. Noch nicht gelöst ist das Problem der VOC-Problematik. Hier muss man zunächst abwarten, was bis Ende 2005 durch Verhandlungen noch erreicht werden kann. Auf jeden Fall wird es durch die VOC-Problematik mehr Leerfahrten geben als bisher.

Im nächsten Jahr wird man sich wieder treffen, der nächsten Binnenschifffahrt-Gefahrgut-Tag findet Ende 2003 wieder in Bad Honnef statt. Veranstalter ist wieder der
mic-Kongress-Service in Landsberg (Tel. 08191/125829).